Der Wegbegleiter Alkohol

Gesellschaftlich akzeptiert und doch gefährlich. Nach Zigaretten, die Droge die am meisten Opfer in Deutschland fordert. Alkohol. Den meisten versüßt er nur den Abend. Aber bei manchen ist er treuer Wegbegleiter. Verharmlost wird er allemal. Wie es sich anfühlt, Alkoholiker zu sein, könnt ihr hier lesen.

Thomas ist Alkoholiker. Seit 2008 hat er einen anderen Weg eingeschlagen und geht offen damit um. Seit nun über 7 Jahren ist er trocken. Heute ist Thomas 61 Jahre alt. „Ich bin reiner Alkoholiker, das heißt ich habe nur getrunken, aber das reicht ja schon.“ Thomas spricht ernst und bestimmt. Wenn man es weiß, sieht man die Sucht noch in seinen Augen, sieht das da mal etwas war, das da noch etwas ist. Doch auch bei schweren Erkenntnissen, düsteren Worten, schallt oft ein kleines, lautes Lachen durch den Raum.

Flucht in die Sucht

Getrunken hat er täglich. „Ich habe daheim getrunken aber auch wenn ich mit der Arbeit weg gegangen bin.“ Täglich 4-5 Bier. „Aber das hing von meiner Laune ab. Wenn ich schlecht drauf war hab ich mich in meinen Keller zurückgezogen und 2 Flaschen Rotwein getrunken. Innerhalb von 1-2 Stunden.“

Grund für das viele Trinken war ein Gefühl der Zugehörigkeit und Erleichterung. Thomas kam mit seinem Leben nicht zurecht. Er war schüchtern und wollte seine schlechten Gefühle verdrängen. „Ich habe mich immer angepasst und nie getraut meine Meinung zu sagen. Nur betrunken konnte ich meine Meinung sagen.“ Zudem hat er sich in seiner Familie nie akzeptiert gefühlt. Alle hatten Abitur, außer er. Irgendwann kamen dann Depressionen dazu und es wurde immer schlimmer. Eine Spirale abwärts. Am Ende überwog auch der Ekel vor sich selbst.

Seine Sucht konnte Thomas gut verstecken. „ Ich habe eine halbe Flasche in mein Glas geschüttet und währenddessen aus der Flasche getrunken. Es sah dann so aus als hätte ich erst ein Halbes getrunken, dabei hatte ich schon 3 Bier intus. Ich habe meine Familie vernachlässigt. Meine Kinder hätten mich gebraucht, die waren da ja noch klein.“

Nie wieder!

2008 hat er von sich aus aufgehört. Aber nicht aufgrund seiner Frau oder seiner Kinder.„Die Familie war mir ja egal.“ Seine Familie hat er ignoriert, seine Ehe ist kaputt gegangen. „Ich habe selber die Scheidung eingereicht. Meine Kinder haben sich zurückgezogen und wir mussten das Haus verkaufen.“ Er hörte aus Angst auf, auch noch im Betrieb auffällig zu werden. Am Vortag hatte er es bei einer Firmenfeier mal wieder übertrieben. Am nächsten Tag ging er zur internen Suchtkrankenhilfe der Firma. Nach der Suchtberatung folgte die Therapie. Er hat Schluss gemacht mit dem Alkohol. Genau wie er damals Schluss machte, mit sich. Jetzt ist er ein neuer Mensch.

Trocken bleiben

Im Endeffekt gab es ein Schlüsselereignis, was Thomas zum aufhören brachte. Ein kurzes Ereignis, ein langer Weg. Auch heute hat er noch mit Symptomen seiner Sucht zu kämpfen. Deswegen geht er heute regelmäßig zur Selbsthilfegruppe Freundeskreis. In der engagiert er sich auch ehrenamtlich und sitzt im Vorstand. „Ohne Selbsthilfe ist es schwierig sich nach der Therapie im Leben zu Recht zu finden.“

Auch nach jahrelanger Abstinenz sind Selbsthilfe-Gruppen sehr wichtig, denn der ständige Austausch mit anderen Süchtigen bewahrt vor dem Rückschlag. „Wenn ich mal ein Verlangen habe, hole ich mir die schlimmen Bilder von früher in den Kopf. Das schreckt ab. Aber man muss achtsam bleiben, an manchen Tagen muss man sehr vorsichtig sein. Achtsam sein, Achtsam miteinander umgehen. Es ist wichtig, wieder Teil der Gesellschaft zu werden, Spaß zu haben und zu lachen. Das ist wichtig.“ Neben der Einstellung, einer positiven Freizeitgestaltung, ist es wichtig ständig zu reflektieren – deswegen sind Selbsthilfegruppen sehr wichtig.

Mit seinem Suchtmechanismus kann er mittlerweile gut umgehen. „Alkohol ist allgegenwärtig. Da muss man eine härtere Grenze ziehen. Vielleicht ist es dann aber auch leichter diese einzuhalten weil sie nicht so verschwommen ist.“ Er spürt die Sucht manchmal noch, hat aber nicht gleich ein Verlangen. „Ich kann damit umgehen wenn ich aus Versehen mal in die Alkoholabteilung im Supermarkt gehe.“ Es ist wichtig Grenzen zu ziehen. „Ich rühre nichts mehr mit Alkohol an, auch keine Lebensmittel die Alkohol enthalten. Kontrolliert trinken würde nicht funktionieren. Selbst wo Alkohol drin ist, der verkocht ist, esse ich nicht. Das würde die Grenze in meinem Kopf verschieben. Alles ist Kopfgesteuert!“

Sucht muss muss in der Gesellschaft offener diskutiert werden

Heute läuft sein Leben gut. Er ist seit über 7 Jahren trocken, hat eine Freundin. Er sitzt im Vorstand der Selbsthilfegruppe Freundeskreis. Er hat eine Aufgabe: Über Sucht aufklären, Betroffenen helfen. Aber eine Sache gibt es da noch:

Thomas will, dass das Thema Sucht ein Teil der Gesellschaft wird. „Man soll nicht auf Süchtige herabschauen, sondern die Hand ausstrecken.“ Das Tabu-Thema soll öfter diskutiert werden. „Es wird nie offen über Sucht geredet. Es gibt wenige Leute die sich für das Thema wirklich interessieren.“ Auch das Wort Therapie ist negativ belastet. Oft wird man abgestempelt sobald man so etwas erwähnt.

Famous Last Words

„Die Sucht ist jetzt Teil meines Lebens. Vielleicht habe ich sie sogar gebraucht. Ich musste den Tiefpunkt meines Lebens erreicht, um es zu ändern. Ich kann nun offen mit allem umgehen, bin selbstbewusst. Meine Meinung zu sagen, daran muss ich noch arbeiten. Aber ich bin auf einem guten Weg und habe gute Chancen, das zu erreichen (lacht). Man kann Schwächen abbauen, reduzieren, über seinen eigenen Schatten springen. Das ist ein gutes Gefühl, wenn man merkt, ich kann das. Natürlich hat man auch Rückschläge. Man kann niemanden davor bewahren süchtig zu werden. Aber man kann Erfahrungen, Gedanken und Gefühle austauschen.“

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